Übersichtsartikel:      Müllteppiche

Angesichts der gewaltigen Ausmaße der Weltmeere machte man sich lange Zeit überhaupt keine Gedanken um die Abfallentsorgung auf See. Tatsächlich herrschen in den Ozeanen relativ stabile Strömungsverhältnisse vor. Treib- und Sinkgut sammelt sich in permanenten Wirbelströmungen und es kommt an der Wasseroberfläche wie auf dem Meeresgrund zu ausgeprägten Müllteppichen. Der bisher größte treibende Müllteppich wurde im Frühjahr 2005 im Nordpazifik gefunden. In einer Ringströmung aus Nordäquatorial-, Kuroshio- und einem Teil des Nordpazifikstromes kreisen etwa 3 Millionen Tonnen Festmüll und überdecken eine Fläche in der Größenordnung Mitteleuropas. Die Müllmasse macht laut Schätzungen inzwischen das Sechsfache des dort lebenden Zooplanktons aus.

 

Das hat weitreichende Konsequenzen für die komplette Meeresflora und -fauna: Oberflächennahe Wasserschichten werden abgeschattet, dadurch findet die marine Primärproduktion durch Algen nicht mehr in gewohnter Weise statt. Aufgrund der riesigen Gesamtoberfläche der Wegwerfartikel wirkt das Feld wie ein Schwamm für giftige Substanzen. DDT und PCB wurden dort bereits in Millionenfach höheren Konzentrationen gemessen als im umgebenden Wasser. Diese Gifte reichern sich auf ihrem Weg durch die Nahrungskette in den Organismen an und landen schließlich bei uns auf dem Mittagstisch.

 

 

 

Koloniale Salpe Unechte Karettschildkröte (Caretta caretta)

Müll und Essbares (hier eine koloniale Salpe) sind

von Schildkröten kaum zu unterscheiden.

Pro Jahr müssen vor La Gomera etliche unechte Karettschildkröten (Caretta caretta) aus Plastik und Nylon befreit werden.



Außerdem werden die Wegwerfartikel regelmäßig für Beute gehalten und gefressen. Vor allem Meeresschildkröten sind gewohnt, völlig wahllos aufzunehmen, was an der Oberfläche treibt. Bereits achtlos weggeworfene Zigarettenfilter können fatale Folgen für diese vom Aussterben bedrohten Tiere haben. Plastikteile werden unter Wellenbewegungen zu kleinen Kügelchen,  sogenannten pellets verarbeitet. Davon ernähren sich mit Vorliebe Küsten- und Seevögel, um dann mit vollem Magen zu verhungern. Größere Kunststoffverpackungen werden auch von Walen gefressen. Andere Meeresbewohner verfangen sich in Tüten, Konservendosen oder in Plastikschlingen. Können sie sich nicht befreien und leben weiter, schneiden diese Teile im Laufe des weiteren Wachstums tief ins Fleisch oder verursachen schwere Deformationen.

Man schätzt, dass pro Jahr Millionen von Tieren als direkte Folge an der Vermüllung zugrunde gehen. Besonders gefährlich sind verloren gegangene Fischernetze (ghost nets), in denen sich jährlich allein 30.000 Pelzrobben verfangen.

 

 
Rauhzahndelfin (Steno bredanensis)
Rauhzahndelfin (Steno bredanensis) mit Plastiktüte
Gelbschnabel-Sturmtaucher, Sepiasturmtaucher (Calonectris diomedea)
Seevögel (hier: Calonectris diomedea) verhungern nach ihrer Plastik-Mahlzeit mit vollem Magen

 

Plastik- und Kunststoffgegenstände, die heute den Großteil der Müllberge und -seen ausmachen, sind äußerst beständig gegenüber der Witterung. Bis zu 500 Jahre mag es dauern bis solche Materialien in ihre endgültigen, meist toxischen Bestandteile zersetzt sind. Dabei ist die Seeschifffahrt zu eher geringen Teilen an dem marinen Müllaufkommen beteiligt. Der überwiegende Teil, nämlich 80% wird durch Wind, Flut und Regen vom Festland eingeholt.

 

 
Gemeiner Krake, gewöhnlicher Oktopus (Octopus vulgaris)

Der gemeiner Krake (Octopus vulgaris) hat

sich eine Burg aus Bierdosen gebaut

Mantenga Limpio nuestra mar. De tanta basura no hay peces para pescar.

"Vor lauter Müll gibt es keinen Fisch mehr

zu fischen" warnt ein Umzugswagen beim Straßenkarneval

 

Die Situation auf La Gomera sowie auf den übrigen Kanarischen Inseln ist in diesem Punkt besonders brisant. Nicht nur, dass aufgrund der Insellage eine generelle Entsorgungsproblematik besteht - gerade durch das steile Küstenrelief und die teils heftigen Regenfälle im Winter wird der Müll, den man hier einfach im Barranco entsorgt, früher oder später unweigerlich ins Meer gespült.

 

Mit der illegalen Deponie bei San Sebastian de La Gomera hatte sich Spanien zuletzt im Jahre 2004 eine Strafe beim Europäischen Gerichtshof eingehandelt. Eine weitere illegale Deponie auf La Gomera, die inzwischen still gelegt ist, besteht mitten im Naturschutzpark bei Arure.

Während der Hafenaufräum-Aktion im August 2006 wurden neben zahlreichen Autoreifen, KFZ-Schrott unter anderem 15 Bordbatterien aus dem flachen Hafenbecken bei Vueltas geborgen. Seit Mitte des Jahres 2007 hat sich die Situation in Valle Gran Rey jedoch merklich gebessert. Der Druck nach Handlungsbedarf auf das Cabildo wächst, da nicht unter umweltbewussten Touristen, sondern gerade unter den Einheimischen viele Stimmen laut werden, die sich gegen jeden weiteren leichtfertigen Umgang mit Müll wenden.

 

Schließlich werden die wenigsten Besucher La Gomeras von sich behaupten können, dass ihnen bei aller Achtsamkeit nicht die eine oder andere Plastikverpackung, Getränkedose, Zigarettenkippe usw. durch den Wind abhanden gekommen und ins Meer geweht worden ist.

 

Unterwasser-Müllberg, Hafen Vueltas Illegale Mülldeponie bei Arure
Müllberge unter Wasser (hier: Hafen Vueltas) und über Wasser (hier:bei Arure)
 

  


www.ocean-la-gomera.com- Meeresbiologische Exkursionen in Valle Gran Rey, La Gomera (Kanarische Inseln)

Sanfte Walbeobachtung (soft Whalewatching) -  Felswatt-Exkursion -  Schnorcheln -  Unterwasserfotografie

Sichtungsdaten und Verhalten der Cetaceae (Wale & Delfine), Monitoring (marine Wirbellose, Fische), Foto-Dokumentation